Die Bedeutung von Machine Learning und Data Analytics im Kontext nachhaltiger Energieversorgungssysteme
von Wolf Ketter und Martin Paschmann
Die Energiewende und Digitalisierung der Energiewirtschaft bedingen neuartige und komplexe Problemstellungen. Um nachhaltige Energieversorgungssysteme zu schaffen und zeitgleich Versorgungssicherheit zu garantieren sowie Effizienz zu forcieren, sind Informationssysteme, die der hohen zeitlichen Dynamik der Prozesse gerecht werden, unabdingbar. Die Gestaltung nachhaltiger Strukturen in der Energieversorgung kann somit als „Wicked Problem“ verstanden werden; ein gesellschaftliches Problem, das auf Grund unvollständiger Information und einer Vielzahl interagierender Instanzen wenn überhaupt nur schwerlich zu lösen ist. Die Fülle an Informationen, die in sehr kurzer Zeit verarbeitet und in Handlungsempfehlungen überführt werden muss, ist hierbei so groß, dass computergestützte Analyseverfahren und Algorithmen benötigt werden. Insbesondere der steigende Anteil hoch volatiler Erneuerbarer Energien führt zu kurzfristig auftretenden Ungleichgewichten zwischen Stromangebot und –nachfrage, die in Echtzeit und nur gestützt durch automatisch initiierte und gesteuerte Prozesse ausgeglichen werden können. Man denke beispielsweise an eine unerwartet und kurzfristig vorbeiziehende Wolkenfront, die zu einem drastischen Einbruch lokaler Stromerzeugung aus EE-Anlagen führen kann. Da diese auf Grund der Fristigkeit nicht mehr im Rahmen von Marktstrukturen abgefangen werden können, müssen intelligente Systeme aus einem Pool kurzfristig verfügbarer Flexibilität heraus Erzeugungseinheiten kontrahieren, die die Systembilanz ausgleichen.
Auch aus Sicht der Marktakteure führt die zunehmende Dynamik und Veränderlichkeit der Systemstrukturen zu neuen Anforderungen. Das Design wettbewerblichen Akteursverhaltens erfordert im Zuge zunehmender Datentransparenz mehr und mehr geeignete Analyseverfahren sowie entsprechende Informationssysteme. Nicht nur offensichtliche Zusammenhänge können hierbei helfen einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Methoden des maschinellen Lernens und der Datenanalyse können genutzt werden verborgene Strukturen, Präferenzen und Zusammenhänge aufzudecken und einen Informationsvorsprung zu erlangen, der in einen betrieblichen Mehrwert überführt werden kann.
Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich das Department of Information Systems for Sustainable Society mit der Entwicklung smarter Informationssysteme für die Energiewirtschaft. Ziel ist es aus der Anwendung von Machine Learning- und Data Analytics- Algorithmen heraus neuartige Einsichten zu generieren und den Entscheidungsprozess heterogener Stakeholder zu unterstützen. Wettbewerbliche Simulation kann ferner dazu genutzt werden die Interaktion heutiger und zukünftiger Akteure der Energiewirtschaft nachzubilden. Ausgehend von marginalen Veränderungen der Abbildung realer Strukturen und Zusammenhänge, wie beispielsweise eines geänderten Produktdesigns, können Handlungsempfehlungen bezüglich eines effizienten Marktdesigns zur Unterstützung nachhaltiger Energieversorgungssysteme abgeleitet werden.